Nachteilsausgleich

Der Weg ist das Ziel

Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Prüfungen und Leistungsnachweisen

Erlass vom 19. Dezember 1995 II B 2— 170/36—31 — Gült. Verz. Nr. 7200 (ABl. 1996 5.77)

Aufgrund des § 50 HSchG haben die allgemeinen Schulen und die Sonderschulen den gemeinsamen Auftrag, bei der Rehabilitation und Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Gesellschaft mitzuwirken. Dieser Auftrag und Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes erfordern die besondere Fürsorge der Schule im täglichen Schulleben in und außerhalb von Unterricht. Bei Prüfungen ist Schülern und Schülerinnen nach dem Grundsatz des § 6 Abs. 2 Hessische Laufbahnverordnung (HLVO) ein ihrer körperlichen Behinderung angemessener Nachteilsausgleich zu gewähren, die fachlichen Anforderungen dürfen jedoch nicht geringer bemessen werden.

Gemeint ist im Grunde jede Klassenarbeit. „Angemessener Nachteilsausgleich“ hängt immer von der Art der Behinderung ab und ist immer Ermessenssache. Zum Beispiel könnte für einen hörbehinderten Menschen ein Nachteilsausgleich sein, bei Arbeiten in einem separaten Klassentraum ohne Störgeräusche zu sein.

§ 9 Abs. 2 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung regelt die Gestaltung des gemeinsamen Unterrichts für Schüler und Schülerinnen mit abweichender Zielsetzung.

Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen, die zielgleich unterrichtet werden können, haben Anspruch auf Nachteilsausgleich bei Leistungsanforderungen im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht der Schule und der entsprechenden Regelungen im Schwerbehindertengesetz (Nachteilsausgleich § 48 Schwerbehindertengesetz (SchwbG).

Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen, die gemeinsam mit Nichtbehinderten unterrichtet werden, darf bei der Leistungsermittlung kein Nachteil aufgrund ihrer Behinderung entstehen.

Bei Diktaten lassen sich klar Rechtschreibfehler von Hörfehlern unterscheiden. Letztere dürfen dem Schüler nicht angelastet werden.

Bei mündlichen, schriftlichen, praktischen und sonstigen Leistungsanforderungen ist auf die Behinderung des Schülers bzw. der Schülerin angemessen Rücksicht zu nehmen ggf. ein Nachteilsausgleich zu schaffen bzw. eine differenzierte Leistungsanforderung zu stellen, z. B.:

  • Verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten;
     
  • Bereitstellen bzw. Zulassen spezieller Arbeitsmittel (Einmaleinstabelle,
    Schreibmaschine, Computer, Kassettenrecorder, größere bzw.
    spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, größere Linien, spezielle Stifte u.ä.);
     
  • mündliche statt schriftliche Prüfung (z.B. einen Aufsatz auf Band sprechen);
     
  • unterrichtsorganisatorische Veränderungen (z. B. individuell gestaltete
    Pausenregelungen, individuelle Arbeitsplatzorganisation, Verzicht auf
    Mitschrift von Tafeltexten);
     
  • differenzierte Hausaufgabenstellung;
     
  • individuelle Sportübungen.

Der Nachteilsausgleich richtet sich im Moment nur auf die Zeit; längere Arbeitszeit usw. Im Augenblick bearbeitet das hessische Kultusministerium den Text dahingehend, dass SchülerInnen auch den Ort der Prüfung frei wählen können; z.B. bei Haupt- und Realschulabschluss die Hörgeschädigtenschulen mit der besseren technischen Ausstattung wählen können.

Ein Nachteilsausgleich ist auch bei einer nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung (z.B. bei Armbruch) zu gewähren.

Antragsberechtigt sind für minderjährige Schülerinnen und Schüler die Eltern, im übrigen die volljährige Schülerin bzw. der Schüler selbst. Der Antrag ist an die Leiterin bzw. den Leiter der besuchten Einrichtung zu richten.

Auf Nachteilsausgleich besteht KEIN Rechtsanspruch. Es ist immer Verhandlungsmasse!!!

Über eine Behinderung oder eine vorübergehende Beeinträchtigung ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.

Über Art und Umfang eines zu gewährenden Nachteilsausgleichs entscheidet die Leiterin bzw. der Leiter der besuchten Schule in Absprache mit den unterrichtenden Lehrkräften.

Ihre bzw. seine Entscheidung ist zu den Akten zu nehmen. In Zweifelsfällen ist die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde einzuholen.

Ein Vermerk über den gewährten Nachteilsausgleich darf nicht in Arbeiten und Zeugnissen erscheinen (s. § 52 SchwbG).

Für Nichtschülerprüfungen gilt diese Regelung entsprechend. Der Antrag ist jedoch unmittelbar an die Schulaufsichtsbehörde zu richten, die für die Zulassung zu der in Betracht kommenden Nichtschülerprüfung zuständig ist.

Vorstehende Regelungen gelten entsprechend für die Staatsprüfungen der Lehrerinnen und Lehrer mit der Maßgabe, dass die erforderlichen Entscheidungen von den Vorsitzenden der Prüfungsämter oder der Prüfungsausschüsse getroffen werden.

Auf Abschnitt III des Gemeinsamen Runderlasses „Fürsorge für schwerbehinderte Angehörige des öffentlichen Dienstes“ vom 2.3. 1988— StAnz. 12/1988 (5.666) des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten — i.d.F. meines Erlasses vom 26.4. 1988 (ABI. S.326) wird hingewiesen.

Auf die Handreichungen zur ambulanten Förderung hörgeschädigter und sehgeschädigter Schülerinnen und Schüler in allgemeinen Schulen, Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums 1992,8.932, weise ich hin.

Kleine Lauscher

Hessische Elterninitiative zur lautsprachlichen Förderung hörgeschädigter Kinder e. V.

www.kleine-lauscher.de

info@kleine-lauscher.de

 

05.11.2001